Neben einer genauen Strukturanalyse bedarf es zur Bestimmung, ob ein Konzern oder eine Vermögensstruktur im Anwendungsbereich liegt, mitunter auch einer Analyse bestimmter Umsatzkennzahlen über einen mehrjährigen Beobachtungszeitraum.
Hintergrund
Im Oktober 2021 haben 135 Mitgliedstaaten des OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS, dem auch Liechtenstein angehört, einer sog. Zwei-Säulen-Lösung zugestimmt. Die erste Säule (Pillar 1) richtet die Besteuerung hoch profitabler Grosskonzerne grundlegend neu aus, indem ein neuer, nicht physischer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung geschaffen und die Besteuerungsrechte an Residualgewinnen (Teil des Gewinns, der eine Umsatzrentabilität von 10% übersteigt) zugunsten von Marktstaaten neu verteilt werden. Die zweite Säule (Pillar 2) beinhaltet die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung (GIoBE – Global Anti-Base Erosion) für internationale Unternehmen und Konzerne, die als Untergrenze für den internationalen Steuerwettbewerb zwischen Jurisdiktionen dienen soll.
Mit der Verabschiedung des Vernehmlassungsberichts zur Einführung der globalen Mindestbesteuerung durch die Liechtensteinische Regierung hat am 29.3.2023 der Gesetzgebungsprozess zur nationalen Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung auch in Liechtenstein begonnen. Das Inkrafttreten der Regelungen ist in Übereinstimmung mit dem harmonisierten Vorgehen der EU ab dem 1.1.2024 vorgesehen. Einzelne Teilregelungen sollen ebenfalls im Einklang mit dem europäischen und internationalen Konsens zum 1.1.2025 anwendbar sein.
Genereller Anwendungsbereich
Der Mindestbesteuerung unterfallen nach den Vorgaben der OECD sämtliche inländischen Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe, sofern deren oberste Muttergesellschaft in ihrem Konzernabschluss in mindestens zwei der vier Geschäftsjahre, die dem geprüften Geschäftsjahr (erstmals 2024) unmittelbar vorausgehen (2020-2023), einen jährlichen Umsatz von mindestens EUR 750 Mio. erreicht. Zu beachten ist, dass auch eine Geschäftseinheit (Stammhaus) mit Betriebsstätten in anderen Steuerhoheitsgebieten als multinationale Unternehmensgruppe gilt. Der Anwendungsbereich ist ferner auch nicht zwingend deckungsgleich mit dem des Country-by-Country Reporting.
Umsatzgrenze
Nach den Vorgaben der OECD gelten grundsätzlich sämtliche erzielten Erträge inkl. sämtlicher Finanz- und Anlageerträge als relevanter Umsatz. Zudem ist zu beachten, dass für die Umsatzschwelle auf den gesamten konsolidierten Konzernumsatz abzustellen ist. Eine Ausscheidung von Umsatzanteilen, die auf Minderheitsgesellschafter des Konzerns entfallen, ist ebenso nicht zulässig, wie die Nichtkonsolidierung von Geschäftseinheiten, die aus Wesentlichkeitsgründen nicht konsolidiert werden (würden).
Rechnungslegungsstandard
Die OECD hat zum Zweck der Konsolidierung weltweit bestimmte Rechnungslegungsstandards zugelassen. Dazu zählen unter anderem die US-GAAP, die IFRS als auch das liechtensteinische PGR. Zulässig sind hingegen nur diejenigen unter den akzeptierten Rechnungslegungsstandards, die im Steuerhoheitsgebiet der obersten Muttergesellschaften nach nationalem Recht zur Verfügung stehen. Für Liechtenstein sind dies neben dem PGR auch IFRS. Dies bedeutet zugleich auch, dass wenn eine inländische Geschäftseinheit über eine oberste Muttergesellschaft im Ausland verfügt, die inländische Einheit nach dem Rechnungslegungsstandard der obersten Muttergesellschaft für Zwecke der globalen Mindestbesteuerung Rechnung legen muss.
Konsolidierungspflicht
Die Konsolidierungspflicht bestimmt sich nach dem zulässigen und akzeptierten Rechnungslegungsstandard, der durch die Vorgaben der OECD um eine Fiktion ergänzt wird. Die Fiktion greift in allen Fällen, in denen die oberste Muttergesellschaft nicht ohne Weiteres zur Konsolidierung verpflichtet wäre, bspw. weil eine Konsolidierungspflicht für ihre Rechtsform im PGR nicht vorgesehen ist. Die Konsolidierungsfiktion betrifft somit insbesondere Rechtsformen wie die Anstalten, Stiftungen, Trust reg. und Trusts). Gemeinnützige Organisationen sind jedoch vom Anwendungsbereich ausgenommen. Für die Konsolidierungsfiktion ist die Frage zu stellen, ob diese oberste Muttergesellschaft zur Konsolidierung verpflichtet wäre, wenn für sie generell eine Konsolidierungspflicht bestünde. Demnach kommt es nicht darauf an, ob in der Vergangenheit bereits Konzernabschlüsse erstellt wurden.
Besteuerungsinstrumente
Ist der Anwendungsbereich gegeben, soll das effektive Mindeststeuerniveau primär mittels zwei Instrumenten erreicht werden. Diese werden als Income Inclusion Rule (IIR) und Undertaxed Payments Rule (UTPR) bezeichnet, wobei es sich bei der UTPR eher um eine Undertaxed Profit Rule handelt. Die IRR folgt in ihren Grundfesten der Funktionswiese einer Hinzurechnungsbesteuerung, wonach bei der Muttergesellschaft so lange eine ergänzende Besteuerung vorgenommen wird bis die Gewinne der niedrigbesteuerten Tochtergesellschaft das Mindeststeuerniveau erreichen. Kann eine Konzerneinheit nicht von der IIR erfasst werden (bspw., weil der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft keine IIR implementiert hat), sichert die UTPR (ab 1.1.2025) das Erreichen des Mindeststeuerniveaus. Die UTPR folgt konzeptionell der gleichen Systematik wie die IIR, nur in umgekehrter Wirkungsrichtung. Die Tochtergesellschaft muss, in dem Umfang eine Mehrsteuer erheben, bis die Gewinne der niedrigbesteuerten Muttergesellschaft das effektive Mindeststeuerniveau erreichen.
Zusätzlich zu diesen beiden Instrumenten führt Liechtenstein eine nationale Ergänzungssteuer ein (Liechtensteinische Ergänzungssteuer). Da die nominale Ertragssteuerbelastung derzeit bei 12,5% liegt, wären die Steuerhoheitsgebiete ausländischer Muttergesellschaften bzw. ausländischer Tochtergesellschaften jeweils in Bezug auf liechtensteinische Geschäftseinheiten (mittels IIR bzw. UTPR) berechtigt, die Differenz zum effektiven Mindeststeuerniveau zu erheben. Durch die Einführung einer nationalen Ergänzungssteuer wird somit der Zugriff auf liechtensteinisches Steuersubstrat verhindert. Da Liechtenstein selbst das Mindeststeuerniveau sicherstellt, ist dem Ausland der Zugriff auf liechtensteinisches Steuersubstrat abgeschnitten, da weder die IIR noch die UTPR anwendbar sind.
Ermittlung der Ergänzungsteuer
Die Ermittlung der IIR- und UTPR-Ergänzungssteuer und somit auch die Ermittlung der Liechtensteinischen Ergänzungssteuer erfolgt nach einer verhältnismässig komplexen Berechnungsmethodik auf der Grundlage der handelsrechtlichen Bestimmungen und unabhängig von den Regelungen des Steuergesetzes (SteG).
Grosse inländische Gruppen
In Übereinstimmung mit dem harmonisierten Vorgehen der EU sollen in Liechtenstein auch sog. grosse inländische Gruppen (Gruppen deren Geschäftseinheiten inkl. Betriebsstätten ausschliesslich in Liechtenstein liegen) der Mindeststeuer unterliegen. Dadurch wird jegliches Risiko einer Diskriminierung zwischen grenzüberschreitenden und inländischen Sachverhalten vermieden. Hintergrund dieser Überlegungen dürfte sein, dass Besteuerungsinstrumente, die sich ausschliesslich gegen ausländische Geschäftseinheiten richten, die Niederlassungsfreiheit verletzen und die Rechtfertigung einer solchen Verletzung bislang nur im Falle "künstlicher Konstruktionen" vom EuGH anerkannt wurde, die aber vorliegend nicht gegeben sind (EuGH, Rs. C-196/04 und C-484/19).
Übergangsbestimmungen
Die Regelungen der OECD als auch die ergänzenden Bestimmungen der EU sehen grundsätzlich keine echten Übergangsbestimmungen vor. Die Regelungen gelten ab dem 1.1.2024. Gleichwohl gibt es Erleichterungen für bestimmte Gruppen. Befindet sich eine multinationale Unternehmensgruppe in der Anfangsphase ihrer internationalen Tätigkeit (u.a. weniger als fünf ausländische Geschäftseinheiten), wird die Liechtensteinische Ergänzungsteuer für fünf Jahre auf null reduziert. Eine ähnliche Regelung gilt auch für grosse inländische Gruppen, wonach die Liechtensteinische Ergänzungssteuer innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Überschreiten der Umsatzschwelle auf null gesetzt wird.
Handlungsempfehlung
Aufgrund der Komplexität der typischerweise betroffenen Strukturen, der noch verbleibenden geringen Vorlaufzeit bis zum 1.1.2024 und den bis dorthin ggf. noch zu treffenden Vorbereitungsmassnahmen, ist dringender Handlungsbedarf angezeigt.
In jedem Fall sollte spätestens jetzt Klarheit darüber geschaffen werden, ob eine Struktur in den Anwendungs-bereich der globalen Mindestbesteuerung fällt oder nicht.
WhatsApp Newsletter
E-Mail Newsletter