Das Abkommen mit dem Fürstentum Liechtenstein stellt auch heute, nachdem es über mehr als eine Dekade in Kraft ist, eines der wichtigsten Doppelbesteuerungsabkommen für Liechtenstein dar. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Vertragsstaaten haben seitdem kontinuierlich zugekommen. Deutschland ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner Liechtensteins in der Europäischen Union. Neben dem Handel führt ebenfalls der prosperierende Dienstleistungsaustausch sowie die hohe Vernetzung und Einbindung Liechtensteins in den Arbeitsmarkt und Lebensraum der wirtschaftsstarken Rheintalregion und die deutliche Zunahme von remote- und hybrid-Arbeitsverhältnissen zu einer stetig anwachsenden Anzahl von grenzüberschreitenden Besteuerungssachverhalten. Entsprechend hoch ist die Bedeutung des Doppelbesteuerungsabkommens für natürliche Personen sowie Unternehmen in beiden Vertragsstaaten, insbesondere mit Blick auf den starken Industrie- und Dienstleistungssektor.
Die jüngste und bislang einzige Änderung des Abkommens erfolgte durch das Protokoll vom 29.1.2021 (anwendbar für Zeiträume ab dem 1.1.2022) zur Umsetzung der Empfehlungen der OECD und der G20 zur Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS 1.0/MLI). Dabei wurde der Titel und die Präambel entsprechend angepasst und eine weitere Anti-Missbrauchsbestimmung aufgenommen, welche dem Aktionspunkt 6 des BEPS-1.0 Projektes entspricht (sog. Principal Purpose Test). Eine Verbesserung der Verständigungsverfahren zur Streitbeilegung (Aktionspunkt 14) war nicht erforderlich, da das Abkommen bereits entsprechende Bestimmungen enthielt. Bestimmte Verweise auf Datenschutzbestimmungen konnten aufgrund der inzwischen direkten Anwendbarkeit der DSGVO entfallen.
Insgesamt zeigt sich das Abkommen vergleichsweise modern. Es enthält neben dem erwähnten Verfahren zur Streitbeilegung (Schiedsverfahren) gemäss dem heutigen Standard bereits auch die Umsetzung des AOA sowie Regelungen über die Abkommensberechtigung für Investmentfonds sowie eine gesonderte Verteilungsnorm für Immobiliengesellschaften.
Insgesamt vereint das Abkommen eine starke Orientierung am Aufbau des OECD-Musterabkommens in der Fassung von 2010 mit einer unverkennbaren und punktuellen Individualisierung, die einerseits durch eine Anlehnung an die deutschen Abkommen mit Österreich und der Schweiz (wie bspw. den Nullsatz auf Zinsen, Lizenzgebühren und Konzerndividenden sowie insbesondere auch in den Art. 15, 17, 18, 19 und 20) und andererseits durch eine überschaubare Anzahl von Sonderbestimmungen (insbesondere Art. 31, aber auch Protokoll Ziff. 1 zur Art. 2 bzgl. der Behandlung des Sollertrags und Art. 7 Abs. 4 zur Behandlung von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben) zum Ausdruck kommt.
Wir wünschen viel Freude mit der Kommentierung des Abkommens bei Ihrer täglichen Arbeit!
Veröffentlicht in: Gosch / Kroppen / Grotherr / Kraft, DBA-Kommentar, Loseblattwerk mit 62. Aktualisierung
NWB Verlag, ISBN 978-3-482-47863-5
Autoren: Dr. Florian Kloster, LL.M. (CONFIDA) und Prof. Dr. Martin Wenz (Universität Liechtenstein)
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