Steuerliche Auswirkungen
Die Schweiz hat die abgeschlossene Verständigungsvereinbarung[1] zwischen Liechtenstein und der Schweiz über die Auswirkungen von Massnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 Pandemie auf die Behandlung von Grenzpendlern auf den 31. März 2022 gekündigt.
Aufgrund der Beendigung der Verständigungsvereinbarung, welche am 11. März 2020 in Kraft getreten war, können sich in Bezug auf die Home-Office Tätigkeiten[2] von schweizerischen Grenzgängern ab dem 1. April 2022 folgende (ausgewählte) steuerliche Auswirkungen ergeben:
Gemäss Art. 15 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Liechtenstein und der Schweiz (DBA FL-CH) kann das Einkommen von Grenzgängern aus unselbständiger Erwerbstätigkeit nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Als Grenzgänger gilt, wer regelmässig, d.h. an jedem Arbeitstag, von seinem Wohnsitz an den Arbeitsort pendelt. Gemäss Protokoll zum DBA FL-CH verliert ein Arbeitnehmer den Status als Grenzgänger und qualifiziert fortan als sog. Nicht-Grenzgänger, sofern dieser an mehr als 45 Arbeitstagen (während eines Kalenderjahres) aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt (sog. Nicht-Rückkehrtage). Infolgedessen wird das Besteuerungsrecht in Bezug auf das Erwerbseinkommen zwischen der Schweiz und Liechtenstein aufgeteilt.
Aufgrund der COVID-19 Pandemie war im Rahmen der Verständigungsvereinbarung eine proportionale Kürzung der 45 Nichtrückkehrtage vorgesehen. Aufgrund der Kündigung der Verständigungsvereinbarung gilt dies jedoch nur bis zum 31. März 2022. Aufgrund der unterjährigen Kündigung der Verständigungsvereinbarung auf den 31. März 2022 bedeutet dies Folgendes:
Sofern ein Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.03.2022 von Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie betroffen war (wie bspw. infolge einer vom Arbeitgeber verordneten Home-Office-Pflicht) erfolgt eine anteilsmässige Reduzierung der 45-Tage-Schwelle auf 34 (= 45 x 3/4). Der Arbeitgeber hat die verordnete Home-Office-Pflicht jedoch in schriftlicher Form zu bestätigen. In Bezug auf die Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen der Schweiz und Liechtenstein fällt die Fiktion der "Tätigkeit am üblichen Arbeitsort" weg (bei Vorliegen von Home-Office-Tätigkeiten aufgrund der Corona-Massnahmen), d.h. Arbeitstage im Home-Office werden neu unabhängig von allfälligen verordneten Corona-Massnahmen des Arbeitgebers dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers zur Besteuerung zugewiesen.
Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen
Liechtenstein und die Schweiz haben die pandemiebedingte Ausnahme für Grenzgänger, die im Wohnstaat im Home-Office arbeiten, bis Ende Juni 2022 verlängert. Aufgrund dieser Ausnahmeregelung ergeben sich für Grenzgänger, unabhängig davon, wie hoch ihr Home-Office Anteil ist, für Zwecke der Sozialversicherungsunterstellung keine Änderungen. Nach Ablauf dieser Ausnahmeregelung (d.h. voraussichtlich ab Juli 2022) gilt grundsätzlich wieder das Folgende:
Im Verhältnis zwischen Liechtenstein und der Schweiz gilt für die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung das sog. "Arbeitsortprinzip". Dies bedeutet, dass eine unselbständig erwerbende Person grundsätzlich der Beitragspflicht desjenigen Staates unterliegt, in welchem sie ihre Erwerbstätigkeit ausübt.
Unter bestimmten Umständen kann diese Regelung jedoch durchbrochen werden. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn ein Arbeitnehmer mit einem ausländischen Arbeitgeber (ohne Entsendung) ein wesentlicher Teil seiner Arbeitstätigkeit am Wohnsitzstaat ausübt. Zur Bestimmung der Wesentlichkeit wird dabei die Arbeitszeit und/oder das Arbeitseinkommen herangezogen. Sofern beide Grössen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mehr als 25% ausmachen, liegt eine wesentliche Arbeitstätigkeit vor.
Für die Praxis von Bedeutung dürfte insbesondere der Fall sein, bei dem ein liechtensteinischer Arbeitgeber seinen Angestellten aus der Schweiz die Möglichkeit einräumt, im Home-Office zu arbeiten. Überschreitet die Arbeitstätigkeit im Home-Office die 25%-Schwelle, kann die Sozialversicherungsunterstellung zugunsten der Schweiz kippen. Der Arbeitgeber in Liechtenstein wäre dann verpflichtet, Sozialversicherungsabgaben in der Schweiz zu entrichten. Diese Regelung gilt grundsätzlich für alle Angestellten mit ausländischem Wohnsitz, wodurch ein Arbeitgeber in Liechtenstein unter Umständen verpflichtet wäre, Sozialversicherungsbeiträge in mehreren EU/EWR bzw. EFTA-Staaten zu entrichten.
Um diesen administrativen und kostspieligen Mehraufwand zu vermeiden, ist zu empfehlen, im Arbeitsvertrag schriftlich festzuhalten, dass ausländische Arbeitnehmer nicht mehr als 25% ihrer Arbeitstätigkeit im Home-Office verrichten dürfen.
Schlussfolgerungen
Die COVID-19 Pandemie dürfte das Arbeitsverhalten vieler Arbeitnehmer grundlegend verändert haben, wobei sich gerade für grenzüberscheitende Arbeitsverhältnisse neue steuerliche- bzw. sozialversicherungsrechtliche Fallstricke auf Ebene des Arbeitgebers wie auch Arbeitnehmers ergeben können. Unter Berücksichtigung dieser neuen Gegebenheiten empfiehlt es sich, das Arbeiten im Home-Office mittels schriftlicher Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu regeln.
[1] Verständigungsvereinbarung zum Abkommen vom 10. Juli 2015 zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen betreffend die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns sowie staatliche Unterstützungsleistungen an unselbständig Erwerbstätige (Arbeitskraft) während der Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie.
[2] Vgl. auch CONFIDA-Info: Vereinbarung zwischen Liechtenstein und der Schweiz zum Home-Office.
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